Unser Bio- und Archehof „Lühlerheide“ ist kein Bauernhof wie jeder andere. Auch seine Entstehungsgeschichte ist eine ganz besondere.
Das Lühlerheim wurde im Jahr 1886 gegründet. Zu dieser Zeit verloren viele Menschen in den Städten und auf dem Land ihre Arbeit. Durch die aufkommende Industrialisierung vieler Arbeitsbereiche wurde menschliche Arbeitskraft zunehmend durch Maschinen ersetzt.
Die um sich greifende Arbeitslosigkeit traf vor allem viele im Ruhrgebiet lebende Familien hart. (Zu)viele der arbeits- und dadurch mittelos gewordenen Männer machten sich damals auf den Weg, um als Tagelöhner oder Wanderarbeiter ihr Glück auf dem Land zu versuchen. Auf der Suche nach Arbeit und Unterkunft zogen sie von Hof zu Hof. Doch auch hier gab es längst nicht genügend Arbeit, um alle Bedürftigen zu versorgen. Eine Armutswelle überzog das Land, in deren Folge immer mehr Männer kein Dach über dem Kopf hatten. Sie lebten auf der Straße und versuchten, sich mit Betteln irgendwie durchzuschlagen. Dieses ungeregelte „Vagabundenleben“ machte viele von ihnen krank und mutlos.
Auch die Kirchen erkannten dieses Problem und wollten etwas gegen die immer größer werdende Not vieler Menschen auf dem Land unternehmen. Der 1883 gegründete „Verein wider die Vagabundennoth“ ermöglichte es, in der hiesigen Lühlerheide eine „Arbeiterkolonie“ aufzubauen. Hier sollten Männer, die in ihrer Existenz bedroht waren, Verpflegung und Unterkunft bekommen. Dafür mussten sie bereit sein mitzuhelfen, den neu entstehenden Hof mit ihrer Arbeitskraft aufzubauen. Schon zwei Jahre nach der Hofgründung waren die ersten Gebäude errichtet. Alles begann mit 19 Arbeitern, die man damals „Kolonisten“ nannte.
Die erste Aufgabe und zugleich größte Herausforderung bestand darin, das umgebende Heideland landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Inmitten der Heide mit ihren kargen Sandböden und ausgedehnten Sümpfen war das keine leichte Aufgabe. Ausschließlich mit Muskelkraft wurden Gräben geschaufelt, um Sümpfe zu entwässern und trocken zu legen. Buschwerk musste mitsamt den Wurzeln aus dem Boden ausgegraben werden. Wege zu den Äckern und Feldern wurden neu angelegt. So waren 1888 bereits 22 Hektar der ehemaligen kargen Heidelandschaft in fruchtbares Ackerland umgewandelt, welches seinerzeit die wirtschaftliche Basis der Einrichtung ausmachte. Denn alles, was die hier lebenden und arbeitenden Menschen zur Selbstversorgung und ihre Tiere zur Fütterung benötigten, musste von den Bewohnern selbst angebaut, geerntet und verarbeitet werden.
Das Leben der Kolonisten war damals geprägt von harter körperlicher Arbeit und strenger Disziplin. Eindeutige Hausregeln bestimmten den Alltag und das Zusammenleben auf dem Hof. Doch längst nicht jeder Kolonist war der schweren Arbeit auf den Feldern und auf dem Hof gewachsen. Auch war nicht jeder gewillt, sich dem strengen Reglement anzupassen, weshalb einige das Lühlerheim bald wieder verließen.
Lebten im Lühlerheim bis in die 1960er Jahre fast nur arbeitsfähige wohnungslose Männer, sollte sich das im Laufe der folgenden Jahrzehnte maßgeblich ändern.
Während der beiden Weltkriege wurde die Mehrzahl der damaligen Kolonisten zum Militärdienst eingezogen. Hof und Einrichtung wurden in diesen von Entbehrungen geprägten Jahren nur noch von denjenigen Bewohnern aufrechterhalten, die aufgrund ihres Alters oder einer Behinderung nicht einsatzfähig waren und im Lühlerheim verbleiben durften.
Anfang der 1950er Jahre setzte der Zustrom an hilfsbedürftigen Menschen, die nicht nur keine Wohnung sondern noch weitere Probleme hatten, erneut ein. Daraus folgend wandelte sich das Lühlerheim von einer landwirtschaftlichen Arbeiterkolonie zu einer Anlaufstelle für Menschen, die aufgrund ihrer schwierigen Lebenssituation bei uns Schutz oder ein neues Zuhause suchten. Das ist bis in die Gegenwart so geblieben. Deshalb versteht sich das Lühlerheim heute als ein Lebens(h)ort für belastete Männer und Frauen. Unser Ziel ist, diesen Menschen eine neue, tragfähige Lebensperspektive zu geben. Mit vielfältigen Hilfs- und Unterstützungsangeboten wie unserem Bio- und Archehof begleiten wir die Betroffenen auf diesem Weg zurück in ein selbst verantwortetes, sozial eingebundenes Leben in- und außerhalb unserer Einrichtung.